Berichte  
Fünf Religionen und Steve Jobs

Syrer Moaz Tatary zeigt Heimat jenseits des Bürgerkriegs. Auch im Basar gilt: „Einmal hin, alles drin“

Das Leben in Damaskus und Lippstadt mag sich in vielerlei Hinsicht stark unterscheiden, es weist aber auch durchaus Gemeinsamkeiten auf. So funktioniert ein Besuch auf dem Basar nach dem gleichen Prinzip wie der Einkauf in einem deutschen Warenhaus. „Einmal hin, alles drin“, hieß es mit Blick auf den real-Slogan beim Syrien-Vortrag am Donnerstagabend im Ostendorf-Gymnasium.

Im sehr gut besuchten Forum der Europaschule berichtet Moaz Tatary (30), vor anderthalb Jahren mit seiner Familie nach Deutschland geflohener Reiseleiter, über seine syrische Heimat. Sein Ziel ist es, das „wahre Syrien“ zu zeigen, Bilder abseits jener Filme und Fotos, die seit dem Ausbruch des Bürgerkriegs vor über fünf Jahren um die Welt gehen und die Wahrnehmung jenes Landes bestimmen, in dem überall (noch) Spuren auch aus römischer und griechischer Zeit zu sehen sind. Fragen nach der politischen Lage hingegen sind an diesem Abend ausdrücklich nicht erwünscht.

Tatary präsentiert das Panorama eines beeindruckenden Landes, zeigt die Umayyaden-Moschee, eine der ältesten Moscheen weltweit, die Kirche Johannes der Täufer, eine der ältesten christlichen Kirchen, das Kolosseum-gleiche Busra-Theater oder den Azim-Palast, „eins der schönsten Gebäude im syrischen Raum“. Er nimmt die Besucher mit in schmucke Restaurants in Damaskus, stellt ihnen Hochzeitsbräuche, Architektur, das Leben auf dem Basar vor (anders als im real wird dort nach Kräften gehandelt und gefeilscht).

Es braucht keinen Grundkurs in Psychologie, um sich vorzustellen, wie schmerzhaft für ihn und seine Landsleute die Bilder der Zerstörung aus der Heimat wirken müssen. Die ist auch ein Multi-Kulti-Land. Zwar sind 75 Prozent der 20 Millionen Einwohner Syriens, das halb so groß ist wie Deutschland, Muslime. Aber es gibt fünf Religionen, sechs Sprachen. Integration? „Die wird gelebt“, sagt Tatary.

Und er wartet auch mit Überraschungen auf. Etwa als er „syrische Promis“ zeigt. Zu denen zählt der Reiseleiter auch Apple-Gründer Steve Jobs, der „seinen Ursprung im syrischen Raum hatte“. Der Übersetzer vom Arabischen Verein: „Da war ich auch baff, als ich das gehört habe.“

In der Fragerunde geht es unter anderem um das Schulsystem (neunjährige Schulpflicht) und Gleichberechtigung. Tatary zeigt Bilder von Studentinnen (mit und ohne Kopftuch), verweist darauf, dass Frauen Chancen im Job haben, etwa Ärztinnen sind. Schwere Arbeit aber bleibe Männer vorbehalten. „Eine Kfz-Mechanikerin oder Maurerin werden Sie in Syrien nie finden.“ Apropos Arbeit: Die gibt’s in Syrien auch – „und die Syrer gehen der auch nach“, frotzelt Tatary bzw. der Übersetzer. Humor ist eben auch eine der Gemeinsamkeiten.

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Es war eine „ganz besondere Veranstaltung“, wie Schulleiterin Gaby Lütkehellweg sagte: Sehr gut besucht war das Forum des Ostendorf-Gymnasiums, als Moaz Tatary (l.) über seine syrische Heimat berichtete. Foto: Heienbrok