Berichte  
Zur Hölle mit dem Teufel

Quelle: Der Patriot, 22.06.2019

Es ist heiß wie in der Hölle auf der Schlossbühne Overhagen. Genau das richtige Ambiente für Mephisto (Alpay Dülger), der auf einen Plausch bei Gottvater (Jan Stemmler) vorbeischaut. Der feiert gerade mit seinen himmlischen Heerscharen die Schöpfung, doch der smarte Unterwelt-Dandy hat anderes im Sinn. Mephisto wurmt es, dass er damals wegen Faust diese Wette verloren hat. Doch warum soll er es nicht noch mal versuchen?

Smarter Unterwelt-Dandy: Mephisto (Alpay Dülger) und eine seiner gehörnten Gehilfinnen. Foto: Balzer

Von Andreas Balzer

Overhagen – Steckt nicht ein bisschen Faust in uns allen? Das ist die Grundidee von Klaus Opiliks modernem Remix „Augenblick, verweile doch! Ein Faust-Projekt“, der Goethes Tragödie in die Gegenwart katapultiert. Genauer: in die Lebenswelt heutiger Oberstufenschüler. Der Literaturkurs Q1 des Ostendorf-Gymnasiums kann so mit seinem Beitrag für die „Schultheatertage“ direkt an eigene Erfahrungen anknüpfen. Und das tun die Schüler mit viel Witz, Fantasie und Spielfreude.

Harter Schnitt vom Prolog im Himmel mitten in eine Gruppe Schüler kurz vor dem Abitur. Zum Ende der Schullaufbahn wissen die nicht so recht, wohin mit sich und ihrem mühsam erworbenen Wissen. „Sokrates“, „Wiener Klassik“, „Lineare Algebra“ und dann noch dieser Goethe – was soll das alles?

Ein Schüler rappt plötzlich den berühmten Faust’schen „Habe nun, ach!“-Monolog (mitreißend: Mohammad Alkaddour), doch bei den meisten Mitschülern hinterlässt das nur ein großes Fragezeichen. „Ich glaube, er will wissen, was die Welt im Innersten zusammenhält“, sagt Wagner (Sören Jütte). Sogleich hagelt es Widerspruch: „Ich glaube nicht, dass er so was meint.“ Und: „Der ist wahrscheinlich voll auf dem Esoterik-Trip.“

Auch unter den Schülern gibt es einen Faust (Abdallah Elahwal), und der ist so ein schluffiger, labiler Typ, dass er das ideale Opfer für Mephisto zu sein scheint. Der Höllenchef fährt mit einer ganzen Crew von Hilfsteufelinnen ordentlich auf und wird von Alpay Dülger mit einer hinreißenden Mischung aus Coolness und öligem Latin-Lover-Charme gespielt. „He, wieso schaut ihr so belämmert?“, fragt er direkt ins Publikum. „Tja, das Böse, unangenehmes Thema – scheinbar – aber irgendwie dann doch spannend, oder?“

In der Tat. Und dass dieser Teufel nicht nur eifrig seinen Goethe studiert, sondern auch eine ordentliche Prise Slang intus hat („Das ist wie Spiegel: Man sieht sich!“) macht die Figur nur noch schillernder.

An Faust beißt er sich trotzdem die Zähne aus, und das, obwohl er sich zwecks größerer Überzeugungskraft immer mal wieder in eine attraktive Mephista (Rebecca Kanevski) verwandelt. Während der Oberteufel und seine gehörten Assistentinnen Auerbachs Keller in eine Drogenhölle verwandeln und im Schönheitssalon, der modernen Hexenküche, die Jungen und Mädchen bei ihrem Schönheitswahn packen, bleibt Faust unbeeindruckt. „Das ist jetzt aber nicht euer Ernst?“, fragt er Mephista angeekelt.

Opiliks Gesellschaftskritik ist in diesen Szenen, gelinde gesagt, etwas unoriginell. Aber der von Maxim Buchholz geleitete Literaturkurs füllt diese Szenen so sehr mit Leben und spielerischer Dynamik, dass das nicht weiter ins Gewicht fällt.

Faust verliert seine Schlaffheit dagegen erst, als er Gretchen (Enya Wille) kennenlernt und gleich erst mal schwängert. Sieg für den Teufel? Keineswegs. Denn zu Mephis Frust übernimmt der Kurzzeit-Hallodri Verantwortung und schickt den Teufel zurück in die Hölle. Doch der gibt sich nicht geschlagen und kündigt per Schild schon mal „Faust II“ an. „Es ist wie Spiegel: Man sieht sich!“ […]