Berichte  
„Die Nacht, in der wir sterben müssen“

Quelle: Der Patriot, 21.06.2025

Ostendorf-Ensemble überzeugt bei „Schultheatertagen“ mit einer Coming-of-Age-Geschichte

Von Helga Wissing

Lippstadt – Was bewegt junge Menschen, wenn sie von der Schule ins Leben entlassen werden? Ist man von heute auf morgen erwachsen? Bleiben die Freundschaften erhalten? Wann beginnt er, der viel zitierte Ernst des Lebens? Oder ist er längst da?

Sensible und keinesfalls immer bequeme Antworten auf diese eher plakativen Fragen gibt das Stück „Die Nacht so groß wie wir“, eine Adaption des gleichnamigen Jugendromans von Sarah Jäger. Es ist der Beitrag der Literatur-Theater Q1 des Ostendorf-Gymnasiums zu den Lippstädter „Schultheatertagen“.

Dem Publikum auf der voll besetzten Studiobühne wird einiges abverlangt. Es dauert eine Weile, bevor klar wird, worum es tatsächlich geht. Zunächst sind da vier junge Abiturienten, Maja, Suse, Bo und Tolga, die gerade ihre Reifezeugnisse erhalten. Aus den Lautsprechern dringt Musik, es erscheinen die typischen Kinderporträts, hinter der Leinwand erlebt man die Zeugnisübergabe als Schattenspiel. Einer fehlt, es ist Pavlow, für den erst einmal eine Schweigeminute abgehalten wird. In Echtzeit. Brav steht das Publikum auf. Ist da etwa jemand gestorben? Nein, Pavlov hat lediglich die Prüfung nicht bestanden. Aber er wird beim Abiball auf jeden Fall mitfeiern.

Doch dieser Abend wird eine weitere Prüfung. Die Jugendlichen stellen sich ihren ganz persönlichen Dämonen. Und sie haben eine entsprechende Parole: „Das ist die Nacht, in der wir sterben müssen. Vom Ungeheuer verschlungen und dann wiedergeboren.“

Missverständnisse, Liebesbeziehungen, Betrug, der Tod eines Elternteils: In „Die Nacht so groß wie wir“ geht es nicht um einfache Themen. Foto: Wissing

Missverständnisse, Liebesbeziehungen, das Geständnis eines Betruges, Krankheit, der Tod eines Elternteils: Die Themen sind nicht einfach. Die Coming-of-Age-Geschichte blickt schnörkellos hinter die Fassade von gesellschaftlichen Erwartungen, all das zwischen ausgelassener Party-Stimmung und existenziell wichtigen Fragen. Anfangs noch etwas steif, wächst das kleine Ensemble immer mehr rein in das Thema.

Das Auf und Ab der Figuren ist beinahe eine kleine Choreografie. Unterlegt von einer mitunter enervierenden, monotonen Melodie. Auch bei der echten Tanz-Szene bewegen sich die Darsteller zum Rhythmus der Musik stereotyp von einem Fuß auf den anderen. Alles scheint voller Symbolik und großer Bedeutung. Sabine Lepping hat ihre Darsteller gut in Szene gesetzt. Das Stück hat einige Sequenzen, die umzusetzen, selbst für Profi-Darsteller eine Herausforderung sein dürfte.

Am Ende ist man bewegt und ein bisschen „mitgenommen“ im besten Sinne. Es dauert einen Moment, bevor die Zuschauer reagieren. Einer der jungen Darsteller hält diese Zeit nicht aus und weist darauf hin, dass es das war. Ja, das war was. Und dafür gibt es Begeisterungsrufe und großen Applaus.