Berichte  
Die Trolle und der Aktualitätsdrang

01 PATRIOT PATRIOT 20160224 Prod-Nr 53548 Seite 9 23. 2. 2016 20:06:41

Journalistin referiert über Arbeit und Berufsstand

22-mal sind deutsche Journalisten im vergangenen Jahr angegriffen worden. „Das ist etwas, das wir in dem Ausmaß nicht kannten“, sagt Journalistin Gemma Pörzgen. Das Vorstandsmitglied der deutschen Sektion von Reporter ohne Grenzen hat am Dienstag im Ostendorf-Gymnasium auf Einladung der Konrad-Adenauer-Stiftung und der Gesellschaft für Sicherheitspolitik Sektion Lippstadt referiert.

Wenn Journalisten etwa im Tatort als Störenfriede dargestellt würden, die Polizei-Ermittlungen behindern und im schlimmsten Fall sogar mit Bösewichten zusammenarbeiten, stößt Pörzgen das auf. „Dabei gelten wir als vierte Gewalt“, sagt sie. „Unsere Arbeit steht im Dienste der Öffentlichkeit.“

Die Kritik, der die Presse laut Pörzgen besonders seit Beginn der Ukraine-Krise ausgesetzt ist – ein Stichwort hier ist etwa die Bezeichnung als „Lügenpresse“ durch Pegida & Co. –, war das zentrale Thema der Referentin. Als einen Grund hierfür macht die freie Journalistin einmal sogenannte Trolle verantwortlich, die im Internet Stimmung gegen Medien machen. Gleichzeitig scheute sie aber auch nicht davor zurück, Fehler der Medien selbst einzuräumen. So bezeichnete Pörzgen den Absturz der Germanwings-Maschine vergangenen März als einen Tiefpunkt der Berichterstattung. Damals seien vage und falsche Infos vorschnell veröffentlicht worden. „Der Aktualitätsdrang hat eine bedenkliche Spirale der Geschwindigkeit in Gang gesetzt, bei der man den Eindruck hatte, als wenn die Berichte den tatsächlichen Ereignissen vorauseilen.“

Zudem „verkommt die Auslandsberichterstattung an vielen Orten leider zur Krisenberichterstattung“, so die Osteuropa-Expertin. Das sei aber oft auch dem zunehmenden Personalmangel geschuldet.

Bereits vor dem Vortrag der Expertin hatten Schüler des Gymnasiums und der Marienschule Beiträge präsentiert. Letztere erläuterten anhand einer Karte der Reporter ohne Grenzen, in welchen Ländern der Erde es weshalb kritisch um die Pressefreiheit stehe beziehungsweise diese gar nicht gewährleistet sei. In Finnland gelten die Voraussetzungen als am besten, in Eritrea als am schlechtesten. Deutschland belegt Rang zwölf von 180.

Der Patriot, 24.2.2016