Berichte  
Gottes Botschaft in der Kneipe

Poetry Slam zum Thema Glauben kommt bei Besuchern im Cappuccino gut an

„Ein Augenblick, ein Moment, eine Sekunde der Unachtsamkeit … und Boom. Plötzlich bist du islamisiert. Über Nacht vom Christen zum Moslem konvertiert. Ist es nicht das was die Menschen heute denken? Haben Angst vor mir und versuchen beim Vorbeigehen die Blicke zu senken. Naiv und von Vorurteilen geblendet, lassen keine Liebe mehr übrig und haben die Menschlichkeit geschändet …“.
Der Beitrag von Ibrahim Atas, mit dem er in diesem Jahr bereits einen Poetry Slam am Ostendorf-Gymnasium gewann, ist aktuell wie nie. Doch diesmal reimt der 18-Jährige außer Konkurrenz. Ebenso wie der 16-jährige Jannick Schleicher, in dessen Vortrag sich „simple Äste neigen und Äxte es mit Bäumen treiben“. Die beiden Ostendörfler moderieren im Lippstädter Cappuccino den „Road Trip“, eine Veranstaltung des Dekanats Lippstadt-Rüthen.
Schon am Eingang gibt’s zur Begrüßung einen Cocktail, ein hübsches Bändchen um den Arm, und bezahlen muss man auch nichts. Das Equipment kann sich sehen lassen. Eine große Stellwand nebst kleiner Bühne, professionelle Boxen und Scheinwerfer. „Am Anfang war das Wort oder: Was ich zum Thema Glauben schon immer anmerken wollte“ lautet das Thema. Denn dass es hier auch oder vor allem um Religion geht, wollen die Veranstalter gar nicht verschweigen.
Die Idee kommt an. Die Veranstaltung ist gut besucht. Wenn man die Kirchen nicht mehr füllen kann, transportiert man Gottes Botschaft in die Kneipe. „Gott mag es egal sein, wo man sein Wort verkündet“, meint einer der Besucher. Die dürfen übrigens auch Fragen stellen. Gern anonym auf Bierdeckeln. Und so sind die Fragen recht direkt. Zum Beispiel, wieso die katholische Kirche so viele Reichtümer besitzt und warum sie die Homo-Ehe verbietet oder wie man Naturwissenschaft und Religion miteinander in Einklang bringen kann.
Dekanatsjugendreferent Christian Möser, Gemeindereferent Christof Stracke aus Erwitte und Gemeindereferentin Susanne Wiehen aus Lippstadt sind nur einige, die sich den Fragen spontan stellen. „Ich bin auch nicht mit allem einverstanden, was in diesem Laden passiert“, gibt letztere offen zu.
„Ich weiß nicht, ob da oben jemand ist, ich glaube, doch ich glaube nicht alles“, trägt Anna Bittner (17) vor. Die junge Frau hat sich spontan entschlossen mitzumachen und landet mit ihrem Beitrag später gemeinsam mit Celina Kersting auf dem dritten Platz. Auf Platz zwei hievt die Publikumsjury Lukas Moore, und den ersten Platz teilen sich Katharina Meinker und Katharina Bajerke, die zuvor ihren Text, in dem sie davor warnt, mit der Masse zu gehen, völlig frei gesprochen hat.
Der gelungene Abend ist die erste von vier Veranstaltungen quer durch das Dekanat.

 

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Die beiden Gemeindereferentinnen Beate Sulk-Clasen (Lippstadt Süd-West, l.) und Susanne Wiehen (Lippstadt Mitte) stellten sich ebenso den Fragen wie ihre Kollegen.
Foto: Wissing

 
Quelle: Der Patriot, 08.11.2016