Berichte  
Einbahnstraße auf dem Schulflur

Quelle: Der Patriot, 20.05.2020

Die Schüler sind nach und nach in die Schulen zurückkehrt. Doch von einem normalen Alltag kann noch keine Rede sein. Auch an der Europaschule Ostendorf-Gymnasium haben sich die Schüler an viele Vorsichtsmaßnahmen zu halten. Wir haben Konrektor Robert Prahl bei der Frühaufsicht begleitet.

Von Maybrit Rinsche

Lippstadt – „Guten Morgen, Abstand halten!“, ruft Robert Prahl zwei Schülerinnen zu, die den Schulhof der Europaschule Ostendorf-Gymnasium auf dem Weg zum Eingang überqueren. Schnell vergrößern die Mädchen den Abstand und laufen so weiter. Prahl ist stellvertretender Schulleiter und hat heute Morgen Hofaufsicht. Er passt auf, dass die Schüler sich beim Betreten des Schulgrundstücks an die Sicherheitsmaßnahmen halten.

Es ist 7.30 Uhr, als die ersten Schüler eintrudeln. Die Eingangstür zu der Schule ist noch abgeschlossen. Ein paar Schüler stellen sich davor auf – alleine oder zu zweit und mit großem Abstand zueinander. Alle tragen einen Mundschutz.

„Es ist zwar von der Landesregierung nicht vorgegeben, aber wir haben uns an der Schule für eine Maskenpflicht entschieden“, sagt Prahl, der selbst ein Exemplar aus Stoff trägt. Die Schüler seien es aus ihrem Alltag gewohnt, den Schutz zu tragen, warum dann nicht auch in der Schule. Vom Betreten des Schulhofs an, müssen die Schüler den Mundschutz tragen. Abnehmen dürfen sie diesen erst, wenn sie in der Klasse auf ihrem Platz sitzen.

Gerade begrüßt sich eine Gruppe Schüler. Zu fünft stellen sie sich im Kreis auf. Da fällt einem der Mädchen auf: „Ey, wir stehen in einer Gruppe. Wir müssen Abstand halten!“ Jeder macht einen Schritt zurück. Unterhalten geht so trotzdem, wenn auch mit Maske.

„Guten Morgen“, grüßt Schulleiterin Gaby Lütkehellweg das Grüppchen als sie vorbeigeht. Auch sie hat heute Frühaufsicht. Um punkt 7.40 Uhr öffnet sie die Eingangstür des Gymnasiums und nimmt im Foyer Aufstellung, um auch dort zu überprüfen, ob die Schüler sich an die Regeln halten.

„Der Eingang ist das Nadelöhr, da müssen wir besonders aufpassen“, sagt Prahl. Die doppelflügelige Tür wird komplett geöffnet, damit auch beim Hineingehen Abstand gehalten werden kann. Direkt hinter der Tür weisen Pfeile den Weg, der gelaufen werden darf. Es geht nur nach links oder rechts. „Wir haben eine Einbahnregelung eingerichtet“, erklärt Prahl.

Umkehren dürfen die Schüler nicht mehr, haben sie sich einmal für eine Richtung entschieden. Um zum Ausgang zu gelangen müssen sie bis zum Ende des Gebäudeteils laufen. Sobald die Jugendlichen in ihren Klassen angekommen sind, müssen sie sich die Hände waschen. Erst dann geht es an ihren Platz. Den verlassen sie den Tag über nur für die Pausen und falls sie zur Toilette müssen.

Pfeile und „Durchgang verboten“-Schilder weisen den Schülern an der Europaschule Ostendorf-Gymnasium den Weg. Konrektor Robert Prahl achtet mit den Kollegen darauf, dass die Schüler sich an die Regeln halten. Foto: Rinsche

„Herr Prahl“, ruft eine Mutter, die gerade ihr Kind abgesetzt hat, den Konrektor zu sich. Sie will ihm mitteilen, dass sie es toll findet, wie kreativ die Lehrer den Online-Unterricht gestaltet hätten. Prahl ist selbst zufrieden, wie sehr Corona die Digitalisierung an seiner Schule vorangetrieben hat. Mit Apps, Podcasts, Videos und vielem mehr, würden die Kollegen den Heimunterricht für die Schüler abwechslungsreich und spannend gestalten. So hätten ein paar Lehrer auch die Idee gehabt, den Schülern mit einem Video zu erklären, an welche Regeln sie sich in der Schule halten müssen. „Ich bin begeistert, in was für einer Geschwindigkeit sich das Video verbreitet hat“, sagt Prahl. Er glaubt, dass der kurze Film eine gute Hilfe ist, um den Schülern zu zeigen, wie sie sich in der Schule zu verhalten haben.

Eigentlich hielten sich alle an die Hygiene- und Abstandsregeln, sagt Prahl. Größere Ermahnungen habe es noch nicht gegeben. „Wir müssen die Schüler höchstens ab und zu an den Abstand erinnern.“

An der Schulhofgrenze kramen gerade zwei Mädchen in ihren Rucksäcken. Nach kurzer Zeit ziehen sie jeweils einen Nasen-Mundschutz hervor, setzen ihn auf und betreten das Grundstück. Hinter ihnen kommt ein Junge um die Ecke. Er hält sich einen Schnellhefter vor das Gesicht und steuert auf Prahl zu. „Ich habe meinen Mundschutz vergessen“, erklärt er. „Kein Problem, ich hole dir einen“, entgegnet der Lehrer. Der Schüler muss draußen warten, während Prahl das Gebäude betritt. Er folgt den Pfeilen bis zum Sekretariat. Davor steht ein Desinfektionsspender. „Ein zweiter steht vor dem Foyer, wo gerade die Abiturprüfungen geschrieben werden. Ansonsten haben wir Waschbecken und Seife in allen Klassenzimmern und auf den Fluren“, so Prahl.

In der Verwaltung drückt ihm eine Schulsekretärin eine Stoffmaske für den Jungen, der draußen wartet, in die Hand. Das Stück Stoff ist zum Schutz in Papier eingeschlagen. Die Schulleiterin selbst habe Ersatzmasken für allzu vergessliche Schüler genäht, erklärt Prahl.

Der stellvertretende Schulleiter macht sich auf den Weg zurück zum Schulhof. Auch er muss dafür natürlich die Einbahnregelung beachten und bis zum Ende des Gebäudeteils laufen.

Unterwegs trifft er zwei jüngere Schüler. Während der ältere Jahrgang, der nächstes Jahr Abitur macht (Q1), wieder regelmäßig zum Unterricht kommt, haben die Jüngeren zu verschiedenen Zeiten ihre Lehrveranstaltungen. So wird es nicht zu voll. Laut Prahl seien immer nur rund 25 Prozent aller Schüler gleichzeitig anwesend. „Der Stundenplan verändert sich dadurch ständig.“

Die beiden jungen Schüler, die Konrektor Prahl ansprechen, haben aber gerade ein ganz anderes Problem. Sie finden den Raum nicht, in dem ihr Unterricht stattfinden soll. Die Corona-Krise hat den Belegungsplan des Gymnasiums durcheinandergewirbelt. Jede Klasse ist in zwei Lerngruppen aufgeteilt, damit die Abstände in den Räumen eingehalten werden können. „Zum Glück sind unsere Klassenräume so groß, dass viele Schüler hineinpassen und wir nicht noch mehr Gruppen bilden müssen.“ Wo und wann eine Lerngruppe Unterricht hat, entscheidet ein sich nach Verfügbarkeit richtender Belegungsplan.

Die jungen Schüler sind am Anfang einmal falsch abgebogen, stellt Prahl fest, als er sich die Raumnummer von dem Jungen geben lässt. Das heißt sie müssen noch einmal komplett durch das Gebäude bis zum Ausgang und zurück zum Haupteingang laufen, um dann rechts anstatt links abzubiegen. „So ist das mit der Einbahnregelung, da werden die Wege schon mal länger“, so Prahl.

Auf dem Schulhof angekommen, übergibt der Konrektor dem wartenden Schüler die Ersatzmaske und weist ihn darauf hin, dass die Rektorin Lütkehellweg diese gewaschen zurück haben möchte. Er nickt, bedankt sich, setzt die Maske auf und verschwindet im Schulgebäude.

Mittlerweile sind alle Schüler eingetrudelt. Das Prozedere von diesem Morgen wiederholt sich aber schnell wieder: „In der Pause machen wir das Ganze noch mal“, so Prahl. Während die jüngeren Schüler diese Zeit auf zwei abgetrennten Bereichen auf dem Schulhof verbringen, müssen sich die Oberstufenschüler am Rande der Lippe aufhalten. Für jeden Bereich gibt es zwei Aufsichten, die darauf achten, dass die Jugendlichen Abstand halten.

Macht die Pause da überhaupt noch Spaß? Prahl glaubt schon. Die Schüler würden in Gruppen mit Sicherheitsabstand stehen und sich unterhalten. „Die freuen sich eigentlich alle, dass sie überhaupt wieder zur Schule gehen können.“