Begegnung zwischen Jung und Alt

 

Rita Gockel-GesterkampLehrerin an der Europaschule Ostendorf-Gymnasium und Betreuerin des Projektes

Ausgangssituation

Ausgehend von einer Debatte mit Eltern, Schülern und Lehrern in der Schulkonferenz über mögliche Felder gesellschaftlichen Handelns ergab sich im Jahr 1999 eine Zusammenarbeit des Ostendorf-Gymnasiums mit dem Fachbereich Jugend und Soziales der Stadt Lippstadt. Der Schulträger entwickelte zusammen mit der Schule das Projekt „Begegnung zwischen Jung und Alt“, das den Dialog zwischen Schülerinnen und Schülern sowie Menschen älterer Generationen fördern und ausweiten soll.

Das Projekt ist darauf ausgerichtet, dass Schülerinnen und Schüler der Unter-, Mittel- und Oberstufe mit den Seniorinnen und Senioren in verschiedenen Situationen in Kontakt kommen. Aus diesem Grunde ist das Projekt auf mehreren „Säulen“ aufgebaut: So erfolgt eine Begegnung z.B. sowohl im Schulgebäude als auch in den Seniorenheimen, in Unterrichtssituationen, in Gesprächen, in Spielrunden oder bei Vorführungen. Die rege und freiwillige Teilnahme der Schülerinnen und Schüler an den Aktionen, die fast alle in der Freizeit der Jugendlichen stattfinden, ist Zeichen für den Erfolg des Projektes: Ehrenamtliches Engagement wird für die Jugendlichen zur Selbstverständlichkeit.

Es besteht keine finanzielle Unterstützung des Projektes, vielmehr basiert es auf einer engen Zusammenarbeit zwischen Seniorenzentren in Lippstadt und Umgebung auf der einen und zahlreichen Eltern auf der anderen Seite, die das Projekt ehrenamtlich mittragen. Die personelle Betreuung und Organisation an der Schule liegt in meinen Händen.

Aktionen

Die Begegnung der Generationen findet u.a. ganz gezielt an einem Ort wie dem Seniorenzentrum statt, um Berührungsängste abzubauen und in eine bewusste Begegnung mit alten Menschen einzutreten.

Folgende Veranstaltungen wurden/werden in Seniorenzentren durchgeführt:

  • Gemeinsame Spielenachmittage mit interessierten Schülerinnen und Schülern der Mittel- und Oberstufe. Hier treffen sich die Schüler bei schlechtem Wetter in den Einrichtungen zu Brettspielen oder im Sommer finden Spielenachmittage auch draußen statt. Dosenwerfen, Angelspiele und Kegeln gehören zu den gemeinsamen Aktionen
  • Standardtanz-Vorführungen und gemeinsame Tanznachmittage von und mit Oberstufenschülern, die zum Teil ihr Können zeigen, aber auch die alten Menschen immer wieder selbst mit einbinden
  • Modenschauen dienen der Anregung, um gemeinsam ins Gespräch zu kommen und darüber nachzudenken, wie sich auch Kleidungsstile verändert haben. So berichteten die Senioren z.B. darüber, wie Festtagskleidung damals aussah
  • Themennachmittage, an denen Schüler und Senioren über gemeinsame Erlebnisse aus ihrem Leben berichten, wie z.B. „Schule damals – Schule heute“ oder „Weihnachten damals- Weihnachten heute“
  • Haustiernachmittage, an denen Schüler der Unterstufe den alten Menschen ihre Haustiere vorstellen. Hier sind auch die Eltern mit im Einsatz. Die Kinder haben keine Berührungsängste z.B. auch mit den Tieren in die Zimmer der pflegebedürftigen Menschen zu gehen. Nicht selten haben sie erlebt wie z.B. Menschen, die ihre Sprache verloren zu haben schienen, wieder begannen über die eigenen Haustiere damals zu sprechen. Die Kinder konnten durch ihre unbefangene Art völlig neue Impulse setzen und gerade auch bei dementen Menschen große Emotionen wecken
  • gemeinsame Bastelnachmittage, z.B. zu Ostern oder Weihnachten. Dabei wird in der Vorbereitung darauf geachtet, dass die Bastelvorschläge nicht zu schwierig sind und die Senioren nicht überfordert werden. Das gemeinsame Basteln motiviert beide Seiten und auch gerade die Senioren strengen sich mächtig an und zeigen den Schülern wozu sie noch in der Lage sind
  • Einrichtung eines Cafeteria Dienstes, den Schülerinnen der Oberstufe im Erich-Wandel-Zentrum regelmäßig an den Wochenenden unentgeltlich betrieben haben (mittlerweile hat das Erich-Wandel-Zentrum wieder eine Stelle für diese Aufgabe eingerichtet).
  • in Begleitung mit den Schülern durch den Grünen Winkel. Diese Aktion findet sehr viel Anklang, da es einer großen Gruppe von Senioren durch die Begleitung durch die Schüler möglich ist, im Rollstuhl die Pflegeeinrichtung zu verlassen. Der Spaziergang gleicht oft einer bunten „Karawane“
  • Thematische Spaziergänge, z.B. eine Baumführung durch den Grünen Sommerliche Spaziergänge mit einer Gruppe von Rollstuhlfahrern Winkel, bei denen es möglich wird, dass eine große Gruppe von Senioren mit Unterstützung durch die Schüler teilnehmen können
  • Regelmäßiger Besuch der Herbstwoche, wobei die Schüler die Senioren abholen, sie mit Rollstühlen über die Kirmes fahren und wieder zur Einrichtung zurückbringen.

Über das Angebot an die Senioren der unterschiedlichen Pflegeeinrichtungen hinaus, richtet sich unser Projekt aber auch an die Senioren der Stadt Lippstadt.

In Zusammenarbeit mit Frau Polder, der Beauftragten der Stadt für die Seniorenarbeit, haben wir Veranstaltungen durchgeführt, die den Wünschen des Seniorenbeirats entsprachen. So zeigten die älteren Menschen großes Interesse an einer Einführung in die modernen Medien.  Darüber hinaus wünschte man sich eine Handyschulung. Die Handyschulung fand mehrfach in unserer Schule statt und nach öffentlicher Ankündigung in der Presse fanden die Veranstaltungen regen Zulauf. Schüler übernahmen hier sehr engagiert die Rolle der Lehrer und konnten in Einzelbetreuung auf die Wünsche der Senioren eingehen. Eine weitere Veranstaltung zum Umgang mit dem Computer steht in unserer Schule noch aus.

Zum Thema „Handyschulung“ haben die Schüler des Projektes in den letzten Jahren immer wieder bereit gestanden beim „Markt der Möglichkeiten“ in der Volkshochschule, wo wir unser schulisches Projekt vorgestellt haben. Dieses Angebot fand großen Anklang und die Senioren ließen sich am Handy und am Tablet schulen.

Im letzten Jahr gab es im Rahmen der Anne Frank Ausstellung an unserer Schule eine weitere Veranstaltung für Senioren. Jung und Alt begegneten sich in der Mensa zu einem Erzählcafé, wobei die Senioren bereitwillig und offen über Kindheitserlebnisse und Jugend in der Zeit des Nationalsozialismus sprachen.

Eine weitere Maßnahme im Projekt der Begegnung sieht vor Seniorinnen und Senioren in den Unterricht unterschiedlicher Fächer einzuladen. Sie sollen ihr Wissen und ihre Lebenserfahrung in den Unterricht einbringen und diesen dadurch bereichern. Andererseits können sie aber auch von den Kenntnissen der Schüler, z.B. in den Naturwissenschaften, profitieren.

 

Zielsetzung

Das Projekt hat das Ziel die Schule nach außen zu öffnen und den Blick der Schülerinnen und Schüler zu weiten für den Prozess des Alterns mit seinen Chancen und seinen Einschränkungen in unserer Gesellschaft.

Für die teilnehmenden Schülerinnen und Schüler haben die Begegnungen gleich mehrere pädagogisch und sozial wertvolle Ziele:

  • Förderung des Dialogs zwischen Schüler/innen und der älteren Generation
  • soziale und gesellschaftliche Verantwortung übernehmen lernen Þ ehrenamtliches Engagement fördern helfen
  • Abbau von Vorurteilen und Berührungsängsten
  • Verständnis gewinnen für das Altern
  • gegenseitiger Gedanken- und Erfahrungsaustausch, voneinander lernen
  • Erkennen der Notwendigkeit gesellschaftlichen Engagements

Der Verlauf des Projektes zeigt, dass es auch über mehrere Schülergenerationen hinaus Bestand hat und nunmehr seit 16 Jahren am Ostendorf-Gymnasium besteht.  Neben zahlreichen Zeitungsartikeln in der Lippstädter Tageszeitung „Der Patriot“ wurde die gesamtgesellschaftliche Anerkennung des Projektes hervorgehoben, durch zahlreiche positive Rückmeldungen ehemaliger Schüler, die ihr Zertifikat über soziales Engagement, welches sie am Ende der Schulzeit erhielten, einsetzen konnten bei der Suche nach einem Arbeits- oder Studienplatz sowie bei dem Wunsch ein Stipendium zu erhalten.

R. Gockel-Gesterkamp