Berichte  
Im Rolli über den Rummel

„Riesenrad ist Pflicht“: 50 Ostendörfler begleiten 25 Senioren über die Kirmes
Von Jennifer Klotz
Ihre Augen strahlen, die Freude über den Ausflug ist groß, die Aufregung spürbar: Zwei Dutzend Bewohner des Erich-Wandel-Seniorenzentrums der Arbeiterwohlfahrt (Awo) machten sich, begleitet von 50 Schülern des Ostendorf-Gymnasiums, am Donnerstagnachmittag auf zum traditionellen Kirmesbummel. Dabei steht für manchen Rollstuhlfahrer nicht einmal die Herbstwoche im Vordergrund. Vielmehr ist die Tour mit den Jugendlichen auch eine willkommene Gelegenheit, mal wieder das Seniorenheim zu verlassen und sich die Stadt anzuschauen.
„Für viele Bewohner ist das ein Highlight“, sagt Pflegedienstleiterin Katrin Ebbinghaus über den Rolli-Ausflug. Was Kai Adams, Mitarbeiter des Sozialen Dienstes, bestätigt: „Manche Senioren fragen uns immer wieder, wann es denn endlich losgeht.“
Auch die Schüler freuen sich über den Ausflug – und merken schnell, dass Kopfsteinpflaster, Bürgersteigkanten und Gullideckel ganz neue Herausforderungen darstellen. Um den Stolperfallen auszuweichen, braucht es Manövriergeschick. Immer mal wieder muss zurückgesetzt und neu angefahren werden – die alten Leute nehmen es gelassen. „Das macht uns nichts, wir haben Zeit“, sagt einer aus der Gruppe lachend.
Zunächst gibt es Reibekuchen oder Bratwurst mit Pommes für alle, um später gestärkt den Rummel zu erkunden. Für manch einen darf es auch ein Bier sein, der Tag muss schließlich gefeiert werden. „Ich bin zum ersten Mal dabei“, erzählt der 77-jährige Dietmar Friebe. „Früher bin ich immer gerne auf die Kirmes gegangen.“ Er sei seit Oktober letzten Jahres im Seniorenzentrum und sehe nun nach langer Zeit mal wieder die Innenstadt, sagt der Lippstädter, dessen Familie in Hamburg lebt.
„Gerade deswegen freuen wir uns auch so über die Aktion“, sagt Schülersprecherin Mia Sprick. „Es macht Spaß, den Senioren eine Freude zu bereiten.“ Mitschülerin Vanessa Aschoff meint: „Und es ist interessant, was die älteren Leute so zu erzählen haben. Außerdem möchten wir auch, dass jemand mit uns später die Kirmes besucht.“
Seit gut 15 Jahren gebe es diese Begegnung zwischen Jung und Alt, erklärt Rita Gockel-Gesterkamp, Lehrerin für katholische Religion und Erdkunde am Ostendorf. „Der Andrang war dieses Jahr riesig, ich musste manchen Schülern sogar leider absagen.“ Mehrmals im Schuljahr finden ähnliche Aktionen statt, als nächstes steht ein gemeinsamer Besuch auf dem Weihnachtsmarkt an.
Auf dem Weg durch die Stadt gibt es viel zu erzählen. Paul Schumacher (88) hat damals in Lippstadt seine Ausbildung gemacht und die Fassaden der Geschäfte restauriert: „Seitdem hat sich so einiges verändert“, sagt er erstaunt und ist über die Möglichkeit, die Stadt zu erkunden, sehr glücklich. Auch Doris Seibertz (98) freut sich immer wieder auf die Kirmes: „Ich bin jedes Jahr dabei und fahre wirklich gerne Riesenrad. Das gehört bei meiner Familie und mir zum Pflichtprogramm.“ Auch gebrannte Mandeln sind für sie ein Muss. Mit einer großen Tüte auf dem Schoß geht es dann langsam wieder zurück ins Seniorenzentrum. Etwas erschöpft, aber glücklich freuen sich alle schon auf den Bummel im nächsten Jahr.
Quelle: Der Patriot, 21.10.2017

 

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