Berichte  
Zu blond zum Töten

Quelle: Der Patriot, 16.06.2018

Ostendorf punktet bei „Schultheatertagen“ mit Schiller-Variation
Flugblätter fallen von der Galerie hinunter auf das Publikum und die Bühne. „Tod dem Tyrannen“, rufen die Widerständler. Der Tyrann ist in diesem Fall ein im bequemen Sessel Kreuzworträtsel lösender und ständig mit dem Handy hantierender Zeitgenosse. Dass er eine rote Krawatte trägt und seine Hofräte mit ständigem Twittern nervt, ist kein Zufall.

Damons Schwester Eva (Aylin Otte) lässt sich nur widerwillig mit Puma (Julian Hopf) verheiraten.
Quelle: Der Patriot, 16.06.2018

Diese kleine Pointe, die beim Publikum ziemlich gut ankommt, haben sich die Schüler des Ostendorf-Gymnasiums selbst ausgedacht. Sie präsentierten am Donnerstag ihren Beitrag bei den „Schultheatertagen“ auf der ausverkauften Schlossbühne Overhagen: Eine Adaption von Schillers Ballade „Die Bürgschaft“ mit dem Titel „Bürgen schafft“, geschrieben von Karlheinz Frankl.
„Zu Dionys dem Tyrannen schlich Damon, den Dolch im Gewande“, so beginnt das Stück im Original. Auch in der Frankl-Version misslingt das Attentat, bekommt Damon (Jan Sprick) eine Frist von drei Tagen, in der er seine Schwester verheiraten darf. Dafür lässt er seinen armen Freund Beppo (Romeo Baiamonte) als Bürgschaft zurück. Diese Figur ist so sympathisch angelegt, dass die Schüler beschlossen, ihn am Ende nicht, wie bei Frankl vorgesehen, sterben zu lassen. Hier stirbt nämlich keiner, nur das Schicksal des Tyrannen (Maxim Richter) bleibt offen, nachdem sich der Vorhang geschlossen hat.
Doch bis dahin passiert erst mal so einiges. Auf der dunkel verkleideten Bühne werden der Opportunismus, die Rücksichtslosigkeit und der Zynismus in Politik und Gesellschaft aufgedeckt. Ob der Hofrat, der sich am Ende selbst gegen den Herrscher stellt, oder die Kneipenbesucher, die zwar am Stammtisch auch den Tod des Tyrannen wollen, aber nicht bereit sind, dafür etwas zu tun. Die Dramatik kommt einige Male nicht ohne Komik daher. Wenn beispielsweise das Kneipenvolk sein Nichthandeln begründet: „Hallo, ich bin blond“ oder „Ich hab heute kein gutes Karma“.
Da kommt Damon gerade recht, als er angibt, Geburtstag zu haben. Und alle jubeln: „Ja, du bist sooo stark! Und du kannst Blut sehen! Und du bist immer so schick angezogen! Und du bist ein Profi mit dem Dolch! Und du bist so klug! Und so geil!“ So schnell wird man zum potenziellen Volkshelden und Attentäter. Und auch im Zwischenmenschlichen Bereich geht’s nicht mit rechten Dingen zu. Beppos Frau Fanny (Charlotte Reising) schmeißt sich an Damon ran und überredet ihren armen Gatten förmlich zum Heldenspielen.
Viel Kreativität zeigten die Schüler bei der Wassermannszene. Sie wird als Traumsequenz präsentiert, bei der vor allem farbiges Licht für Effekte sorgt. Großes Gelächter löst der Auftritt des Wassermannes (Camil Rak) im Taucheranzug aus. Auch dies ist eine Szene, die sich das Schülerensemble unter der Leitung von Judith Koch selbst ausgedacht hat. Erheiterung und spontanen Applaus gibt’s ebenfalls in der Hochzeitsszene, wenn der Pastor (Vincent Liebersbach) von allen guten Geistern verlassen über die Bühne tanzt. Auch die Räuberszene kommt als sehenswerter Hip-Hop daher, die Choreografie hat sich Vanessa Rollo ausgedacht.
Mit diesem Beitrag haben es sich die Ostendörfler sicher nicht leicht gemacht. Doch der Aufwand hat sich gelohnt. Die hinreißende Aufführung voller überraschender Einfälle, lebendiger Dialoge und souveräner Spielfreude bekommt großen Beifall. hewi