Berichte  
Dran gewöhnt, kaum geschätzt

Quelle: Der Patriot, 23.11.2018

Mit Abiturienten zu EU-Vorteilen ausgetauscht

Lippstadt Denkbar knapp war es im Juni 2016: Knapp 52 Prozent der Briten (zumindest jener, die sich an dem Referendum beteiligten) stimmten für den Brexit. Eine Ursache fürs Ergebnis: Junge Briten hätten sich zu wenig an die Wahlurnen begeben und so dazu beigetragen, dass für ein Austreten der EU gestimmt wurde, meinte jetzt Dr. Thieß Petersen. Mit gutem Grund referierte der Berater aus Reihen der Bertelsmann-Stiftung in Lippstadt also vor 140 angehenden Abiturienten des Ostendorf-Gymnasiums und Lippe-Berufskollegs (ihres Zeichens beide Europaschulen). Denn wie selbstverständlich gehöre Deutschland zur Europäischen Union. Doch der bevorstehende Brexit werfe Fragen auf, gebe Kritikern Raum – und so wollte Petersen für politischen Austausch gerade bei angehenden Wählern sorgen und aufklären, welche wirtschaftlichen Vorteile die EU bringe.

Diskutieren über Europa: (v.l.) EU-Koordinatorin Janine Brand, Referent der Bertelsmann-Stiftung Dr. Thieß Petersen, die Schüler Rizo Nazhmuolinov, Clara Kretschmer, Carlo Kevric, Geschäftsführer der GSP Dieter Brand und Schüler Yannik Hesse.    Foto: Ruch

„Wirtschaftliche Integration erhöht Wirtschaftswachstum in allen beteiligten Ländern“, so Petersen. Heißt: Die Produktion für einen größeren Markt erlaubt das Ausnutzen von Massenproduktionsvorteilen. Kaufkraft, Nachfrage und Produktion steigen, während gleichzeitig Produktionskosten sinken. Ein weiterer Vorteil seien die „vier Freiheiten der EU“, zu denen Personenfreiheit, Warenfreiheit und der freie Dienstleistungs- sowie Kapitalverkehr gehörten. EU-Bürger müssten keinen Zoll für Ware zahlen und können Arbeitskräfte oder andere Dienstleistungen aus dem EU-Ausland in Anspruch nehmen und anbieten, zudem Gelder überweisen.

Wenn die EU so viele Vorteile bietet – wie kommt es dann zum Brexit? „Menschen gewöhnen sich schnell an angenehme und schöne Dinge und vergessen durch die Gewöhnung schnell ihren Vorteil“, so Petersen. Die Nachteile der EU wögen dann scheinbar stärker als deren Vorteile. Auch die Selbstbestimmung und der Verlust von nationaler Souveränität zählt Petersen auf, ebenso die unkontrollierte politische Flüchtlingsbewegung – sie hätte negatives Licht auf die EU geworfen.

Die Schüler diskutierten anschließend angeregt mit. Eine Frage galt dem möglichen Eintritt der Türkei in die EU. Petersen verwies auf Artikel zwei des EU-Vertrags, in dem Menschenrechte, Demokratie sowie Gleichheit als Werte genannt würden. „Ich sehe die Türkei im Hinblick auf den Artikel nicht als baldiges Mitglied“, so Petersen.

Auch um den Süden Europas ging es: „Sehen Sie die wirtschaftlich schlechte Lage Italiens als neue Griechenlandkrise?“ Petersen bezog sich in seiner Antwort auf die hohen Staatsschulden des Landes. „Italien ist das Sorgenkind. Die immens hohen Schulden und die vom Land dennoch geforderten Steuersenkungen sind keine gute Idee.“

Über die teils anspruchsvollen Fragen dürfte sich Petersen gefreut haben, liegt ihm das politische Bewusstsein der Schüler nach eigenen Angaben doch am Herzen – ebenso wie Europakoordinatorin Janine Brand vom Ostendorf-Gymnasium. Vermittelt worden war der Refent durch die Gesellschaft für Sicherheitspolitik (GSP), die Petersen noch am Abend zu einem weiteren Vortrag erwartete. sr